Forschung

Die Sammlung und das Archiv

Das Herzstück der Nolde Stiftung Seebüll ist die Sammlung mit dem Archiv. Die Stiftung besitzt den größten Bestand an Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen, Graphiken, Skulpturen, Keramiken und kunstgewerblichen Werken Emil Noldes weltweit. Das Archiv birgt den Nachlass Noldes mit einer umfangreichen Korrespondenz, zahlreichen Dokumenten und Fotografien. Sie ermöglichen persönliche Einblicke in das Wesen und Wirken des Künstlers. Darüber hinaus sind Sammlung und Archiv eine zentrale Forschungsstelle für den Expressionismus im Allgemeinen.


Laufende Forschungsprojekte:

 

Dr. Astrid Becker

Ada Nolde. „Die Seele seines Schaffens“. Ein Leben für Emil Nolde
Biographie zu Leben und Wirken Ada Noldes

Die bewunderte und bezaubernde Adamine Frederikke Vilstrup war Emil Nolde in einer überaus engen Beziehung ein Leben lang verbunden. Bei ihrer Hochzeit 1902 gab die dänische Pastorentocher ihre eigenen Bestrebungen als Schauspielerin auf, um kompromisslos ihr ganzes Sein in den Dienst von Noldes Kunst zu stellen. Bis zu ihrem Lebensende 1946 bleibt sie seine Muse, seine Gefährtin, sein „Herzensfreund“. Ihre Bedeutung für den Maler und den Menschen Nolde kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Erstmals widmen sich Forschungen dem Leben und Wirken der Ehefrau Ada Nolde in all seinen Facetten. Die Ergebnisse und neuen Erkenntnisse sollen in einer kritischen Biographie veröffentlicht werden.

 

Sören Groß

Emil Nolde und die Sagengestalten des Nordens

Die viel beachtete Ausstellung der Nationalgalerie Berlin „Emil Nolde – eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus“ 2019, kuratiert von Bernhard Fulda, Christian Ring und Aya Soika, widmete ein ganzes Kapitel, „Juden, Phantasien und Wikinger“, der Frage nach einer möglichen ideologisch bedingten Anpassung Emil Noldes an den Nationalsozialismus über die Motivik seiner Werke. Sören Groß vertieft eines der von Bernhard Fulda in den Blick genommenen Themen, die Wikinger. Ausgehend von den von Nolde selbst im weiteren Sinne als Nordmänner betitelten Arbeiten und den folgenden, ikonographisch zuzuordnenden Werken legt Groß die Basis für eine systematische Untersuchung des Themenfeldes. Erste Erkenntnisse veröffentlichte er vorab im Ausstellungskatalog „Nolde und der Norden“ im Bucerius Forum Hamburg 2021.

Eine Publikation ist in Vorbereitung.

 

Christian Ring

Joachim von Lepel und die Gründungsgeschichte der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde

Die Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde wurde nach dem Tod Emil Nodles im April 1956 am 12. Juni 1956 vom Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein anerkannt, sie blickt nun auf mehr als sechs Jahrzehnte ihres Bestehens zurück. Nolde bestimmte testamentarisch seinen Sekretär und Vertrauten Joachim von Lepel (1913-1962) zum Direktor.

Joachim von Lepel sichtete, ordnete und verwaltete den künstlerischen Nachlass, initiierte zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, legte Stiftungsjahrbücher vor und initiierte Standardwerke. Bereits ein Jahr nach Emil Noldes Tod wurde Seebüll als Museum mit jährlich wechselnden Ausstellungen für Besucher geöffnet. Nachdem von Lepel zehn Jahre an der Seite zunächst beider Noldes, dann Emil Noldes gelebt hatte, konnte von Lepel durch seinen frühen Tod 1962 nur sechs Jahre lang die Geschicke der Stiftung leiten. Die von ihm gesetzten Grundlagen wirken bis heute, ohne dass er als Person in den Vordergrund getreten wäre. Christian Ring widmet sich den Anfangsjahren der Stiftung und nähert sich dem ersten Direktor.

Eine Publikation ist in Vorbereitung.

 

Christian Ring

„Wechselspiele“

Christian Ring geht seit der intensiven Beschäftigung mit dem Spätwerk in der 60. Jahresausstellung Seebüll 2016 der engen Verflechtung zwischen Arbeiten auf Papier und Gemälden im Werk Emil Noldes nach. Von 1945 bis 1951 malte Nolde noch über 100 Ölgemälde, wobei die Mehrzahl der Figurenbilder und Landschaften auf den Aquarellen der Werkgruppe „Ungemalte Bilder“ basiert. Ein erstes Ergebnis seiner Forschung veröffentlichte er im jüngsten Standardwerk zur Aquarellmalerei Noldes: „Zu den Ungemalten Bildern und weiteren Arbeiten auf Papier als Vorlage für Ölgemälde bei Emil Nolde„. Es gibt zum Teil wörtliche Inspirationsverhältnisse, aber auch verstecktere. Nolde selbst pflegte den Topos des Originalgenies, dem das Werk aus der Hand floss. Einzig bei den „Ungemalten Bildern“, seit den 1930er-Jahren entstehenden meisterlichen Aquarellen, ist der Bezug zum Ölgemälde im Spätwerk durch teils wörtliche Übertragung bekannt. Weitere Ergebnisse veröffentlicht der Autor im Kapitel „Wechselspiele. Arbeiten auf Papier als Vorlage für Ölgemälde“ in der Monographie „Die Kunst selbst ist meine Sprache„.

Eine Publikation ist in Vorbereitung.

 

Indina Woesthoff

Emil Nolde und Hans Fehr. Briefwechsel 1892–1956

Während seiner Zeit als Lehrer an der Kunstgewerbeschule in St. Gallen (1892–1897) lernte Emil Nolde den sieben Jahre jüngeren Hans Fehr kennen. Aus der anfänglichen Lehrer-Schüler-Beziehung wurde in den folgenden Jahren eine Lebensfreundschaft, die bis zu Noldes Tod 1956 währte. Fehr studierte Jura und schlug eine Hochschulkarriere ein. Ab 1906 hatte er eine Professur in Jena inne, es folgten 1912 Halle a.S., 1917 Heidelberg und ab 1924 Bern. 30 Skizzen-Bände „Ein Menschenleben in Aquarellen“ zeigen die auch künstlerische Begabung Fehrs.
Fehr zählte zu den ersten Förderern Noldes und ermöglichte durch frühzeitige Ankäufe und konstante finanzielle Unterstützung dem noch unbekannten Künstler eine Lebensgrundlage. Darüber hinaus organisierte er als Kunstvereinsmitglied in Jena und Halle Ausstellungen und veröffentlichte Texte über Nolde in Kunstzeitschriften und Tageszeitungen. Im Fokus seines Interesses stand Nolde, als Sammler weiterer Künstler ist er nicht hervorgetreten.

1957 veröffentlichte Fehr sein „Buch der Freundschaft“ über seine Erlebnisse mit Nolde. Darin enthalten sind auch Ausschnitte aus den zahlreichen Briefen, die der Künstler und der Jurist wechselten.

Diesen Schatz der Briefe, der sich überwiegend im Archiv der Nolde Stiftung Seebüll befindet, nun vollständig zu heben und zu veröffentlichen, ist das Ziel des Editionsprojektes „Emil Nolde – Hans Fehr. Briefwechsel 1892–1956“. Angefangen von karikaturistisch gezeichneten und mit launigen Texten versehenen Postkarten über Einblicke in Noldes künstlerische Grundsätze, seine Hoffnungen und Ziele bis hin zu familiär anmutenden Berichten und Mitteilungen zeigt sich ein umfassendes Freundschaftspanorama, in das auch die Ehefrauen Ada Nolde und Nelly Fehr einbezogen wurden. Die Bedeutung der Freundschaft Nolde–Fehr kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, ihre Erforschung anhand der Briefe erschließt eine weitere wichtige Quelle zur objektiven Nolde-Forschung. Ein ausführlicher Kommentar wird die Briefe begleiten.

Eine Publikation ist in Vorbereitung.


Abgeschlossene Forschungsprojekte:

„Es ist immer ein Fest, wenn ein Brief von Ihnen ankommt“
Zum Briefwechsel zwischen Ada und Emil Nolde mit Gustav und Luise Schiefler

Indina Woesthoff

Der Hamburger Jurist und Graphiksammler Gustav Schiefler und seine Frau Luise zählten vierzig Jahre lang zu den vertrauten Freunden und Förderern Emil Noldes. So ist es ein seltener Glücksfall für die Nolde-Forschung, für die Forschung zur Kunst der Klassischen Moderne überhaupt, dass sich die Korrespondenz zwischen Künstlerehepaar und Sammlerfreunden mit annähernd 700 Briefen nahezu vollständig erhalten hat. Sie ist eine Quelle ersten Ranges, wie es nur sehr wenige zu Nolde gibt.

Der 2023 veröffentlichte Briefwechsel wird ergänzt durch Tagebuchnotizen Schieflers sowie durch weitere Briefe und Dokumente aus den Nachlässen. Ein ausführlicher Kommentar und mehrere Register vervollständigen die zweibändige Ausgabe und lassen sie zu einem Lesevergnügen werden – nicht nur für Kunstwissenschaftler.

» https://www.nolde-shop.de/Nolde-Schiefler.-Briefwechsel-2-Bde./1325

 

„Ich will so gerne dass mein Werk aus dem Material hervorwachse…
Kunsttechnologische Forschungen zum Werk Emil Noldes“

Zwischen 2018 und 2021 widmete sich ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt der Maltechnik und den Künstlermaterialien des Expressionisten Emil Noldes. Partner des multidisziplinären Forschungsvorhabens waren das Doerner Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München (Koordination), die Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde und die Hamburger Kunsthalle in Kooperation mit der Universität Hamburg und der Hochschule der Bildenden Künste Dresden.

Durch eine maltechnische Auswertung des Künstlerarchivs und des Ateliernachlasses sowie umfangreiche technologische, bildgebende und analytische Untersuchungen an rund 50 Gemälden aus den Sammlungen in Seebüll, Hamburg und München wurden erstmals Arbeitsweise und Künstlermaterialien Emil Noldes erforscht. Die Ergebnisse sind 2022 in der Publikation „Emil Noldes Malweise. Eine Farbe verlangt die andere“ nachlesbar.

» https://www.nolde-shop.de/Emil-Noldes-Malweise-Eine-Farbe-verlangt-die-andere/1241
» https://nolde-maltechnik.de/

 

S-H Welt. Schleswig-Holstein zwischen Weltoffenheit und Kolonialismus. Die ethnographischen Sammlungen Schleswig-Holsteinischer Museen.

In Schleswig-Holstein befinden sich zahlreiche ethnographische Objekte, die von der Wissenschaft fast gänzlich unbeachtet sind. Diese stammen vornehmlich aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten wie Westafrika, Ostafrika, Ostasien, Melanesien, Mikronesien und Polynesien. Um diese Schätze schleswig-holsteinischer Kolonialgeschichte zu heben, taten sich der Museumsverbund Nordfriesland, die Nolde Stiftung Seebüll und Dr. Claudia Kalka zusammen, um eine Digitalisierung und Veröffentlichung ethnographischer Objekte aus 19 Museen zu erreichen (https://www.sh-welt.de/). Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vom 1. Oktober 2017 bis zum 30. September 2020.

Emil Nolde sammelte auf seiner Südseereise 1913/14 zahlreiche ethnographische Objekte, die sich noch heute in der Nolde Stiftung Seebüll befinden. Vorhanden sind aber auch Objekte aus Afrika südlich der Sahara, den pazifischen Marquesas-Inseln sowie viel Staffordshire-Porzellan aus England. Die Faszination für diese Objekte beruht auf ihre Ästhetik, und der Künstler verwendete sie oftmals in seinen Stillleben. Damit stellt die ethnographische Sammlung in Seebüll einen Sonderfall in Schleswig-Holstein dar. Herkunft und Bedeutung der Objekte sind allerdings bisher noch größtenteils unbekannt. Ihre Erschließung bietet erstmals die Möglichkeit, sie in die Analyse der Kunstwerke miteinzubeziehen und einen sich gegenseitig befruchtenden interdisziplinären Austausch anzuregen

 

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