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Nolde

ABFOLGE DER AUSSTELLUNG

Nolde

 

1. Blütenpracht
Sonnenblumen in Seebüll

In unzähligen Gelb- und Orangetönen leuchten Emil Noldes Sonnenblumen. Im Aquarell vertieft er sich in die satte Farbenpracht der Blütenkörbe, die aus ihrem Blattwerk und dem Beet herausgelöst erscheinen. Sie sind allein Farbe. Und bei aller Abstraktion doch unverkennbar Sonnenblumen.
Obwohl sich Nolde zu Beginn seines Schaffens mit dem für seine Sonnenblumen gefeierten Vincent van Gogh auseinandersetzt, greift er selbst das Motiv erst später auf. 1926, kurz vor dem Umzug von Utenwarf nach Seebüll, entsteht eine Folge von drei Gemälden und eine kleinformatige Lithographie mit diesem Motiv. In der Graphik platziert der Künstler die Blüten aus vorbereitenden Pastellskizzen vor einer hohen Wolkenformation. Das Blatt druckt er in experimentellen Farbkombinationen.
„Die Sonnenblumen steigen so hoch empor“, berichtet Nolde seinem Freund Hans Fehr aus dem Garten in Seebüll. Dessen prachtvolle Sonnenblumen inspirieren ab 1928 fortwährend zu Ölgemälden, in denen er das Spektrum an Gelbtönen auslotet oder mit der bunten Fülle anderer Blumen kontrastiert.

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Gelbe und braunrote Sonnenblumen, 1935
© Nolde Stiftung Seebüll
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2. Graphikfreundschaften
Die Anfänge des Graphikers Emil Nolde

Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn entdeckt Emil Nolde für sich die Techniken der Druckgraphik. Mit dem Anspruch, dass das „Werk aus dem Material hervorwachse“, widmet er sich in unkonventioneller Herangehensweise zunächst der Radierung. Seine Erkenntnisse teilt er mit den Dresdner Brücke-Künstlern, die ihm im Austausch die Möglichkeiten des Holzschnitts nahebringen.
Als einer der ersten Sammler überhaupt erwirbt der Graphik-Kenner Gustav Schiefler im Frühjahr 1906 einige Drucke von Nolde. Damit beginnt die lebenslange Beschäftigung mit Noldes Werk und die enge Freundschaft zwischen Sammler und Künstler. Für dessen Graphik erarbeitet Schiefler ein zweibändiges Werkverzeichnis. Nolde fertigt eigens Holzschnitte als Buchschmuck für die Ausstattung. Nur die 1921 erschienene Nolde-Monographie des Museumsdirektors Max Sauerlandt, mit dem der Künstler seit 1913 befreundet ist, erfährt eine vergleichbare Wertschätzung in Form von Buchschmuck für die Titelseite.
Die Freundschaft zu beiden Unterstützern Noldes spiegelt sich auch in ihren Bildnissen in Graphiken, Aquarellen und Gemälden.

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Kabinett
Mann mit Zylinder I, 1911
© Nolde Stiftung Seebüll
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3. Einblicke in die Graphikwerkstatt

„An jeder Platte sitze ich und wirke daran solange bis meine Empfindung befriedigt ist“, erklärt Emil Nolde gegenüber Gustav Schiefler. Für seine Radierungen benutzt er die Ätzradierung, bei der das Motiv in das Metall geätzt wird. Er kombiniert sie mit der direkt in die Platte getriebenen Kaltnadelradierung. Kupfer- und Eisenplatten bearbeitet er mit Messern, Scherben, Stahlbürsten, den Ätzgrund auch mit dem bloßen Finger. Im Zusammenwirken mit dem Säurebad gibt Nolde den Platten so flächige Strukturen, die die Linienbetonung der Graphik aufheben.
Im Holzschnitt lässt er die „verschiedenartige reizvolle Maserung und manchmal die Äste im Druck mitsprechen“. Dabei mildert Nolde den harten Kontrast von Hell und Dunkel durch die Auflockerung der Flächen und Linien. Angeregt durch die Brücke-Künstler schafft Nolde eine eigene Presse an, auf der Ada die Holzschnitte druckt.
Noldes legt in seiner Graphik den Schwerpunkt auf Figurendarstellungen. In zwei kleinen Heften führt er akribisch Buch über seine graphische Produktion, die sich im Wesentlichen auf die 1910er- und 1920er-Jahre erstreckt. Sie klingt noch in den Lineaturen der Aquarelle der 1930er- und 1940er-Jahre nach.
In der Ausstellung sehen Sie Abzüge von allen gezeigten Platten.

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Mann und Frau, 1911
© Nolde Stiftung Seebüll
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4. Experimentierfelder
Fortwährendes Mischen und Herumprobieren

Während öffentliche Graphiksammlungen lange skeptisch auf Emil Noldes unkonventionelle Drucktechniken reagieren, zeigt Gustav Schiefler sich gerade davon begeistert. Der Künstler experimentiert mit der Ätzung der metallenen Druckplatten und den Maserungen hölzerner Druckstöcke, um zu eigenwilligen Tonigkeiten und Farbabstufungen zu kommen.
Besonders die Lithographie erweist sich für Nolde als fruchtbares Experimentfeld. Von 1907 bis 1915 beschäftigt er sich intensiv mit dem Steindruck: „Erst wenn der Maler auf dem Stein selbst schaffend arbeitet, erlebt er den Reiz der Technik und die weitgehendsten Möglichkeiten.“
Ein reiches Farbexperiment ist die Lithographie „Junges Paar“, die 1913 in einer Flensburger Druckerei entsteht. „Farben wurden verschrieben, verrieben, und ich stand immerzu zeichnend, ätzend, schleifend, mischend, abwägend, umschaltend in Farben und Farben und von der Presse die großen Bilder hervorholend, fast alle in verschiedensten Nuancen und Zuständen.“ In serieller Herangehensweise überarbeitet er das in schwarz gezeichnete Grundmotiv in über 90 Farbkombinationen, jeweils in nur wenigen Abzügen gedruckt.
1926 knüpft Nolde mit einer konzentrierten Folge von zwanzig groß- und kleinformatigen Graphiken an seine lithographischen Farbexperimente an.

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Landschaft mit Kühen, 1926
© Nolde Stiftung Seebüll
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5. Späte Liebe
Jolanthe Nolde zum 100. Geburtstag

Schon als Kind ist die am 9. Oktober 1921 geborene Jolanthe Erdmann oft in Seebüll zu Besuch, denn ihre Eltern, der Komponist Eduard Erdmann und seine Frau Irene, waren mit Emil und Ada Nolde befreundet. Nach Adas Tod tritt 1947 Jolanthe erneut in das Leben des Künstlers, im darauffolgenden Jahr heiraten die beiden. Als späte Liebe Emil Noldes spielt Jolanthe eine bedeutende Rolle in seinen letzten Lebensjahren. Nach seinem Tod 1956 zieht sie fort aus Seebüll, um die Eröffnung des Hauses als Museum zu ermöglichen. Bis zu ihrem Tod 2010 begleitet sie die Entwicklung der Stiftung.
Im Testament vermacht der Künstler seiner zweiten Ehefrau zwanzig Gemälde als repräsentativen Querschnitt seines Werkes. Eines davon, das prächtige „Stillleben (mit gestreifter Ziege)“, konnte 2015 für die Nolde Stiftung Seebüll erworben werden. Darüber hinaus durfte Jolanthe aus Noldes Beständen Aquarelle und Graphiken auswählen. Die gezeigten Blätter entsprechen jenen, für die Jolanthe sich entschieden hat.

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Jolanthe Erdmann,
© Nolde Stiftung Seebüll
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6. Vorlagenspiele
Enge Verflechtungen in Malerei und Graphik

„Auch einige meiner Malereien habe ich in Radierungen erstehen lassen“, schreibt Emil Nolde seinem Freund Hans Fehr über die Motivauswahl für seine Druckgraphik. Gerade zu Beginn des graphischen Schaffens greift er auf eigene, auch ältere Arbeiten zurück. Sie erscheinen spiegelverkehrt auf dem Blatt, sind motivisch aber weitgehend dem Vorbild treu. Wenn er Bildelemente aus der Malerei für die Graphik herauslöst, lässt sich ein freierer Umgang mit der Vorlage beobachten. In einer solchen Variation verwendet Nolde das markante Wellenmotiv. Umgekehrt kann die Graphik Vorlagen für andere Techniken liefern, wie das Mosaik „Madonna“ zeigt. Die Mühlen-Darstellungen verdeutlichen, wie subtile Veränderungen im Ausschnitt oder im Farbklang eines Motivs sich auf dessen Umsetzung in Öl, im Aquarell oder in der Lithographie auswirken.
Zwischen enger spiegelbildlicher Umsetzung, Variation und freier Assoziation bewegt sich die Wiederaufnahme eines Motivs in Noldes Malerei und Graphik, die einander Impulse und Farbklänge zuspielen.

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Madonna (Mosaik), 1912
© Nolde Stiftung Seebüll
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